Kennst du eigentlich die Eltern von Aragorn? Oder von Frodo, Daenarys oder Harry Potter? Okay, letztere wahrscheinlich schon, schlechtes Beispiel. Wenn du ein echter Fan bist, weißt du auch, dass die Eltern von Daenarys Aerys II und Rhaella Targaryen hießen und Aragorn der Sohn Arathorns ist (seine Mutter hieß übrigens Gilraen). Aber so richtig kennen tun wir diese Figuren nicht. Dieses Schicksal teilen sie mit vielen Nebenfiguren, aber bei Heldeneltern ist es nochmal eine ganz besondere Situation.
Meistens treten die Eltern von Fantasyhelden und -heldinnen überhaupt nicht auf, höchstens noch in einem Traum oder einer Erinnerung.
Der Grund dafür ist ganz einfach: sie sind tot.
Und zwar sind sie bereits tot, wenn die Geschichte anfängt. Oder sie sterben innerhalb der ersten sieben Kapitel (ich bin mal großzügig, oft dauert es eher zwei). Aber in jedem Fall sind sie tot oder werden bald sterben.
Aber warum sterben Heldeneltern so schnell?
Oft löst der Tod der Heldeneltern die Geschichte überhaupt erst aus. Die Heldin kann nicht Königin werden, solange der Thron noch besetzt ist. So weit, so unspektakulär.
Trotzdem scheinen in der Fantasy fünf Gründe besonders häufig für das Ableben von Heldeneltern zu sorgen:
Gründe für tote Heldeneltern
Grund 1: Der Schurke
Der Schurke hat die Eltern getötet. Kommt ja immer wieder vor in Fantasybüchern, dass Schurken auf die Idee kommen, mal ein paar Leute zu töten. Pech für ihn, wenn das die Eltern der Heldin waren. Denn oft weckt der Tod der Eltern Rachegedanken bei ihr, sodass sie beschließt, etwas gegen den Schurken zu unternehmen. Und wir wissen ja alle wie das üblicherweise ausgeht.
Grund 2: Sie wussten zu viel
Die Eltern wissen etwas, das die ganze Geschichte abkürzen könnte. Der Held ist das letzte Mitglied einer sonst ausgestorbenen Familie oder besitzt ein geerbtes Amulett oder Schwert, dessen Bedeutung er nicht kennt. Wenn die Eltern noch leben würden, könnte der Held sie einfach fragen und dann müsste er die ganzen Geheimnisse nicht mehr aufklären. Er wüsste nach einem kurzen Gespräch sofort, dass das Amulett des Schurkenvernichtens oder das Schwert des Monstermetzelns den weltbedrohenden Gegner aufhalten kann. Das würde bestimmt das halbe Buch an Reiseereignissen und Verwicklungen einsparen, wäre aber möglicherweise auch langweilig.
Grund 3: Die unbekannte Herkunft
Vielleicht auch Grund zweieinhalb, da diese beiden Gründe eng verwandt sind. Die Heldin darf nicht wissen, woher sie kommt und soll es erst im Verlauf der Geschichte herausfinden. Also sind ihre Eltern von Anfang an tot und sie wächst bei Hirten, Zwergen, Wölfen oder anderweitig abseits ihres Heimatortes auf. Mit lebenden Eltern wäre die unbekannte Herkunft der Heldin natürlich nicht machbar.
Grund 4: Mehr Leid
Der Held soll leiden. Besonders für männliche Helden ist das ein besonders beliebtes Motiv. Der Held soll leiden, also wird seine Familie umgebracht. Diesem Grund fällt besonders oft die Mutter des Helden in den ersten Kapiteln zum Opfer. Tragisch, gemein und letztlich leiden alle, besonders die Eltern.
Grund 5: Nicht wichtig
Die Eltern sind nicht wichtig. Sie sind für die Geschichte nicht weiter relevant, darum sind sie freundlicherweise vor Beginn der Handlung verstorben. Praktisch, oder?
Ist das schlimm?
Ganz ehrlich, nein. Falls du auch schon mal aus einem oder mehreren dieser Gründe die Heldeneltern umgebracht hast, lass dir versichern: du bist damit nicht allein. Das machen viele Schreibende, du, ich, Prominente… Ja, ich habe das auch schon gemacht. Mehrfach. Erst vor kurzem wieder. Ist ja auch nicht schlimm (außer für die Figuren).
Allerdings ist es auch ein ziemliches Klischee. Wie alle Klischees kann es gut eingesetzt eine Geschichte weiterbringen, aber auch langweilig werden und alles total vorhersehbar machen. Mir ist das mal in einem Buch passiert: da wurde die besorgte Mutter eines Helden beschrieben und ich ahnte, dass sie innerhalb der nächsten paar Kapitel das Zeitliche segnen könnte. Was sie dann auch tat. Du kannst dir bestimmt vorstellen, wie langweilig ich das fand.
Aber müssen Heldeneltern immer sterben? Wenn es wichtig für die Handlung ist (siehe besonders Grund 1 und 3), klar, dann müssen sie sterben.
Aber wenn sie für die Handlung nicht weiter wichtig sind, warum müssen sie dann immer gleich tot sein? Was spricht dagegen, sie einfach leben zu lassen (besonders bei sehr jungen Helden)? Wenn die Eltern weiter gemütlich auf dem Bauernhof, in der Burg oder der Kneipe ihrem Alltag nachgehen, stören sie doch die Handlung nicht.
Und müssen wirklich immer die Eltern sterben, wenn der Held leiden soll? Kann der Schurke nicht auch einfach den Helden selbst drangsalieren? Das wäre doch mal was. Die Eltern mit reinzuziehen ist doch eigentlich fast Kindergartenniveau. Da sollten die meisten richtigen Schurken doch drüber stehen, oder?
Für mehr lebende Heldeneltern!
Seit mir aufgefallen ist, dass Heldeneltern teilweise tot sind, weil sie für die Handlung nicht wichtig sind, mache ich mir sehr viel mehr Gedanken über sie. Ob es eine weltinterne, Fantasy-Entsprechung zu Spanien oder Florida gibt, wo sie hinziehen können. Ob Werwolfeltern Urlaub machen und Könige in Rente gehen können. Aber vor allem, wie ich die Eltern in die Geschichte einbringen kann. Schließlich ist das eine super Möglichkeit, das Klischee zu meiden und der eigenen Geschichte eine ungewöhnliche Note zu geben.
Jetzt bist du dran, herauszufinden, ob deine aktuellen Heldeneltern wirklich sterben müssen. Ich bin gespannt auf deine Geschichte.